Michaels Einschätzung in 4, 5 Sätzen
Jochen Distelmeyer ist und bleibt ein Phänomen. Dabei polarisiert er, wie kein Zweiter. Nicht wenige halten ihn für einen der besten Texter/Songwriter dieses Landes, andere hassen ihn für seine hippie-eske Art. Wieder andere vergöttern den ewigen Dandy wie die deutsche Variante von Stephen Patrick Morrissey. Auch gestern in Köln gab es immer wieder lechzende „Jochen!“-Rufe – und die kamen ausschließlich vom männlichen Teil des Publikums, das die Live Music Hall bis in die letzte Reihe gut füllte. Boy-Crush galore.
L’etat et moi
20 Jahre „L’etat et moi“ war der Grund der ersten Tour in Originalbesetzung seit locker 18 Jahren. Originalbesetzung heißt Jochen Distelmeyer (Gitarre, Gesang), André Rattay (Schlagzeug, Polohemd in pink) und Eike Bohlken (Bass). Entsprechend hoch waren die Erwartungen. Wird es eine Reise in die Vergangenheit mit einer der wichtigsten Bands der deutschen Indie-Szene und Mitbegründern der Hamburger Schule? Wird es ein magischer Abend, der allen noch lange in Erinnerung bleiben wird? Oder wird es ein trauriger Anblick alter Männer, die „es noch mal wissen wollen“ aka die Miete zahlen müssen?
Die gute und irgendwie schlechte Nachricht zuerst: Es war alles und nichts von dem.
Gegen 20:35 wurde das Saallicht gelöscht und ein Hubschrauber ertönte – das Intro zu „Draussen auf Kaution“, dem Opener des Über-Albums „L’etat et moi“. Die Anspannung auf und vor der Bühne war deutlich spürbar. Die ersten Töne erklangen und als die Band einsetze, war ich leicht entsetzt. Gitarre und Bass leicht verstimmt (was viel, viel schlimmer ist als komplett verstimmt), der Schlagzeuger ungewohnt nervös. Ok, das ist der erste Song, den sie nach 18 Jahren zusammen auf einer Bühne spielen. Aber müssen sie denn wirklich wie eine Schülerband klingen? Der Sound änderte sich auch beim darauf folgenden Hit „Jet Set“ nicht. Unbehagen machte sich bei mir breit. Dann, endlich beim dritten Song „2 oder 3 Dinge, die ich von dir weiß“ merkte man, wie die drei langsam warm wurden. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Jochen Distelmeyer jeden Moment den Song abbrechen und mit den Worten „Ach, das hat doch alles keinen Sinn mehr“ die Bühne verlassen könnte. Zu meiner Erleichterung spielte er den Song durch und sagte „Also, ich find’s ganz geil.“ Er sollte an diesem Abend noch weitere Ansagen machen, die ihn als unfassbar coole Rampensau wirken ließen. Hätte ich so jetzt nicht erwartet. Höchst unterhaltsam.
Das kurzweilige Set bestand zum Großteil aus Songs vom 1994er Album – bis auf „You make me“ und das Spoken Word Stück „L’etat et moi – Mein Vorgehen in 4, 5 Sätzen“ wurde alles gespielt – sowie einigen Songs des Debütalbums „Ich-Maschine“ und 2 Songs des dritten Albums „Old Nobody“. Gerade dieses Album galt immer schon als Wendepunkt. Eike Bohlken war raus, Peter Thiessen (Kante) und Michael Mühlhaus waren neu in der Band. Der Sound ging weg vom ungestümen Indierock hin zu wundervoller Popmusik. Ein Bruch, der so manchen Fan damals vor den Kopf stieß, der Band jedoch die ersten richtigen Charterfolge bescherte.
Doch heute Abend wurde das Frühwerk gefeiert. Nach einer Stunde ging die mittlerweile zum Quartett gewachsene (Der Name des Gast-Gitarristen ist mir entfallen) Band das erste Mal von der Bühne. Der tosende Applaus lockte sie jedoch kurz danach für 3 weitere Songs zurück, bevor sie sich ein zweites Mal verabschiedeten. Und da brachte mich Distelmeyer das nächste mal zum Lachen, denn er sagte, völlig ironiefrei: „Danke, dass ihr da wart. FETT!“
Jeder Fan wusste natürlich, dass es das unmöglich gewesen sein sollte. Und so wurde eine abgewanderte Version des „Old Nobody“ Songs „Kommst du mit in den Alltag“ gespielt, bevor endlich die Bassdrum den größten Hit „Verstärker“ ankündigte. Ich habe Videos von den letzten Touren der Band gesehen, auf denen der Song mit Keyboards untermalt wurde, aber die „dreckige“ Gitarrenversion bleibt ungeschlagen.
Und so gingen alle – Publikum wie Band – nach knapp 100 Minuten doch zufrieden in die Nacht.
Ich frage mich noch immer, wie ich es nun fand.
Es ist schwierig zu beantworten. Man hat gemerkt, dass die Band etwas mit angezogener Handbremse gespielt hat. Das kann daran liegen, dass das gestern das erste Konzert seit langem war. Gut möglich, dass die nächsten Konzerte anders werden. Dann war da aber diese allgegenwärtige Erwartungshaltung, das Hoffen auf diesen einen, großen Moment. Und so trübt es vielleicht ein wenig, dass es am Ende des Tages einfach „nur“ ein richtig gutes Konzert war. Nicht mehr, nicht weniger.Einigen wir uns doch einfach darauf: Es war FETT.
Tour Termine
28.08.2014 Frankfurt | Batschkapp
29.08.2014 München | Theaterfabrik
30.08.2014 A-Wien | Arena
31.08.2014 A-Linz | Posthof
11.09.2014 Münster | Skaters Palace
12.09.2014 Hamburg | Markthalle - Leider AUSVERKAUFT
13.09.2014 Berlin | Astra - Leider AUSVERKAUFT
14.09.2014 Hamburg | Grosse Freiheit 36
29.08.2014 München | Theaterfabrik
30.08.2014 A-Wien | Arena
31.08.2014 A-Linz | Posthof
11.09.2014 Münster | Skaters Palace
12.09.2014 Hamburg | Markthalle - Leider AUSVERKAUFT
13.09.2014 Berlin | Astra - Leider AUSVERKAUFT
14.09.2014 Hamburg | Grosse Freiheit 36