Statt 5 sind es 15 Jahre geworden.
Ich bekam eine Urkunde in einem Luftpolsterumschlag zugeschickt. „15 Jahre – Jens Mahnke – herzlichen Dank für fünfzehn gemeinsame Jahre und Deinen wertvollen Beitrag zu unseren Erfolgen.“ Diese Worte, aufgedruckt auf einer leicht verknickten Pappe, wurden knapp 15 Tage später mit einem Wertgutschein für einen Inhouse-Kauf ergänzt. Es fühlte sich merkwürdig an – sowohl 15 Jahre als auch die mitschwingende Lieblosigkeit dieses Aktes. Und ich möchte weder verbittert noch undankbar wirken, aber mein Entschluss diese Art meiner Arbeit und der für mich schlecht gewichteten Work-Life-Balance, habe ich schon mehrfach und vorweg überdacht und eine Entscheidung für mich und meine Familien getroffen. Es muss sich dringend etwas ändern.Dieser Gedanke ist sicher auch meinem fortschreitenden Alter geschuldet, denn ich fragte mich, wo ich mich in meinem Arbeitsbereich in 10 Jahren sehe. Eine unbeliebte Frage in jedem Bewerbungsgespräch, aber eine Gute um sich selbst einzunorden. Rein körperlich ist Schichtarbeit schon eine Herausforderung und das Mentale darf man dabei nicht außer Acht lassen. Ich für meinen Teil mag es kreativ zu arbeiten und habe mir, bedingt durch meinen Job, eh eine Problem-solving mentality antrainiert. Ich finde es zudem spannend, neue Wege zu beschreiten, einen gewissen Einfluss auf meinen Output zu haben und etwas zu erschaffen. Das alles finde ich nach 15 Jahren in meinem Bereich nicht mehr wieder. Festgefahren.
Andere entscheiden, was wie gemacht werden soll und greifen nicht auf eine Fachexpertise zurück. In vielen Fällen eine Verschlimmbesserung. Und wenn ich dachte, ich wäre nicht der Typ für „Quiet Quitting“, so muss ich jetzt schreiben, dass ich meine Arbeit solide bis zum letzten Tag durchführe, aber doch meine eigenen Freiräume gesichert habe. Und ich kann schreiben, dass ich mit mir, und der Firma im reinen bin. Ich hege keinen Groll, ich will und muss nicht nachtragend sein. Ich habe immer zum Wohl der Firma gearbeitet und habe jetzt viele Dinge für mich neu eingeordnet. Ja, ich habe abgeschlossen und das ist gut so. Ich will und muss auf mich achten. Auf meine Familie. Auf meine Freunde. Ich will und muss anders arbeiten. Mit mehr Freude, mit mehr Elan und mich nicht ausgelaugt fühlen und wieder Spaß bei der Arbeit haben. Sicher, ich werde viele Kollegen vermissen, den an ihnen lag mein Sinneswandel nicht. Aber ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit mit neuen Kollegen und einen Vibe, der mehr einer Startup Mentalität gleicht. Mein bisheriger Ausgleich ist und bleibt der Blog.
Und wie es so ist, kam wirklich just in diesem Augenblick ein Arbeitsangebot von extern herein.
Eine Stelle wurde im Netz ausgeschrieben und ich traute meinen Augen kaum. Erstmal, bekannte Gesichter hinter der Suchanzeige und dann genau der Bereich, den ich ausfüllen möchte. Zufall? Zufälle gibt es doch nicht. Ach, hör mir auf mit so einem Gefasel. Aber diesmal kam halt etwas genau zum richtigen Zeitpunkt.
Und während alle Welt um mich herum schon beinah schrie: „Los, bewirb Dich – das ist genau Dein Ding.“ Starteten bei mir die Selbstzweifel. In der Tat habe ich die meisten Anforderungen schon viel und oft umgesetzt und das auch gut, aber in dem Moment wo man sowas in einer Bewerbung verfasst, kommt man sich wie ein Aufschneider vor. Impostor-Syndrom nennt man es wohl und ich schlage mich in der Tat noch damit herum. Meine eigenen Gegenmaßnahmen habe ich für mich schon eingeleitet und neulich ein Fotoshooting umgesetzt. Die Auftraggeberin und ich waren sehr zufrieden mit dem Output – auch die öffentliche Wahrnehmung war durchaus positiv. So schöpfte ich durch diesen Tagesoutput wieder ein wenig Selbstbewusstsein. Mein zukünftiger Arbeitgeber baut auf mich und ich stehe absolut auf Wertschätzung und klare Worte. Ich möchte gemeinsam etwas bewegen und vorantreiben. Ich möchte in jeder Hinsicht auch einen Ausgleich zur Arbeit haben. Und wenn ich jetzt schreibe, „Ich mag Arbeit“, dann ist das auch so. Aber Arbeit muss sinnvoll und effektiv sein, sich auch für mich persönlich lohnen. Ich muss einen Gegenwert zu meiner eingebrachten Leitung wiederfinden. So wie ich das gerade sehe und empfinde, wird das mit meiner neuen Tätigkeit genau so laufen. Im Umkehrschluss habe ich das Gefühl bei meiner bisherigen Tätigkeit leider nicht mehr – ein, aus meiner Sicht, Ungleichgewicht. Und ja, ich finde es schade für alle Beteiligten. Und ich könnte jetzt noch weiter ausholen, aber das würde sich nur auf meine Erwartungshaltung beziehen. Ich lasse das.
15 Jahre. Eine echt lange Zeit und dennoch kein Vergleich mit der Arbeitswelt meiner Eltern. Mein Vater ging mit 14 Jahren in die Ausbildung und arbeitete sich zum Chemie-Meister, zum Abteilungsleiter einer großen Firma hoch. Er musste hart arbeiten und bekam aber auch ein ordentliches Gehalt. Er konnte früher in Rente gehen und die Abfindung war auch ordentlich. Ich müsste ihn jetzt fragen, aber trotz vieler Widrigkeiten ist er über die ganze Zeit bei einem Arbeitgeber geblieben und hat loyal seinen Job gemacht. Man zog das Ding durch. Ein Leben, ein Arbeitgeber. Dies ist eine aussterbende Generation. Aktiengesellschaften, Kapitaldruck und Inflation sorgen für eine neue Arbeitsumgebung. Viele Menschen kommen nicht mehr mit einem Job aus. Viele fragen sich, wofür sie arbeiten. Sie hinterfragen die Arbeit und sich selbst. Das ist gut so, denn die Welt ist im stetigen Wandel und die Zeiten sind nicht die rosigsten.
Als Familienvater sehe ich genau dieses Problem auch bei meinem Ältesten. Im Studium hat er schnell erkannt, dass die von ihm gewählte Ausrichtung nicht für ihn funktioniert und sich einen Ausbildungsplatz gesucht. Seine Ausbildung ist bald beendet und der Arbeitgeber ist leider ein schlechter Motivator. Motivation und Bestätigung ist aber ein existenzieller Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses. Im besten Fall liebt man, was man macht. Aber in den meisten Fällen ist es wohl so, dass man arbeitet um zu leben und nicht leben möchte um zu arbeiten. Jetzt möchte ich nicht in Systemfragen ausarten, aber wir bewegen uns gerade in interessanten Zeiten, wo sicher auch die sozialpolitische Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, ein Ausweg aus der Misere vieler Firmen sein könnte. Aber bis dahin wird es noch ein weiter Weg sein – bedauerlicherweise. So wird mein Sohn wohl nach der Ausbildung sicher woanders sein Glück suchen. Unclever wer unfelxibel bleibt. Ich kann Paul gut vestehen.
Und ja, wir leben und *räusper* lieben latent den Kapitalismus.
Wir haben materielle Wünsche und sollten diese wohl viel öfter hinterfragen. Was benötigt es zum Glück? Was ist Glück und Zufriedenheit? Dass „Mehr“ nicht immer besser bedeutet, sollte wohl mittlerweile jeder halbwegs clevere Mensch schon verstanden haben. Dass Besitz eher unfrei und nicht glücklich macht, mag man zwar wissen und dennoch spiele auch ich dieses unsägliche Spiel mit. Gefangen im Hamsterrad – gefangen im System dieser Welt. Jedoch ist jeder seines Glückes Schmied, wobei nicht jeder diese Chancen hat, in einem so reichen und gutsituiertem Land aufwachen und leben zu dürfen. Auch dieser Tatsache sollte man sich immer mal wieder bewusst werden. Wenn man genauer hinschaut, so kann man einen Wandel schon erkennen und in neuen Generationen schon erahnen. Es bleibt nie wie es ist und war und mit ein bisschen Ehrgeiz und Idealismus, kann man viel erreichen und zum Positiven ändern. Wichtig dabei, man muss lernen seine Scheuklappen abzulegen und über den Horizont hinauszublicken. Altes muss nicht immer schlecht sein, neues genauso wenig. "Nur den Mutigen gehört die Welt" mag abgedroschen klingen. Aber Stillstand ist der Tod.Damals geliebt, heute die sozial- gesellschaftskritischen Aspekte verstanden, ist Bruno Bozzettos Signor Rossi eine wahre Quelle der Inspiration für mich – sind wir doch alle auf der Suche nach unserem Glück – wie auch immer es aussehen mag.
Oder um es mit Herrn Rossis Worten zu sagen:
Was kann man vom Leben mehr erwarten? Ich stehe morgens auf, wenn Leute mir sagen, dass ich aufstehen muss. Ich esse, wenn Leute mir sagen, dass ich essen muss. Ich denke, wenn Leute mir sagen, dass ich denken soll und immer das, was sie wollen, dass ich denken soll. Ich bin ein Mensch mit gesicherter Zukunft, die bereits von anderen geplant worden ist. Aber wenn man es genau betrachtet, zähle ich doch gar nichts. Ich bin ein Nichts. Aber das will ich nicht mehr.
Bozzetto hat in seinem Trickfilm "Il signor Rossi cerca la felicità", eine beachtliche Gesellschaftskritik im Jahr 1976 veröffentlicht, welche bei genauer Betrachtung noch heutige Begebenheiten skizziert. Als Kind habe ich diese Trickfilme geliebt, als Erwachsener verstanden. "Herr Rossi sucht das Glück" ist mehr als nur ein schrulliger psychedelic Animationsfilm, es kann ein Lebensmotto sein.
Wünscht mir viel Erfolg.
Musste ich nur mal wieder loswerden und dabei nicht vergessen:
Marty McFly told me the Future will be Great.