Wenn die Zeit zum Feind wird und das Leben zum Wettlauf.
Seit dem letzten „Sinnieren“ ist wieder einige Zeit vergangen, da muss ich jetzt wieder in die Tasten hauen. Und wie das Leben so spielt, hat sich auch meine Perspektive auf die Zeit verändert. Dieses ständige Gefühl, nicht genug zu leisten, nicht produktiv genug zu sein – kennt ihr das? Diese „Productivity Anxiety“, wie es neudeutsch so schön heißt, sehe ich gerade überall. Also, nicht nur bei mir, sondern auch in meinem Umfeld. Man hat eine Idee von einer Umsetzung im Kopf, von privaten, familiären und beruflichen Terminen und das Priorisieren ist echt schwer. Das muss noch gemacht werden, hier ist noch eine Baustelle, dort ist noch ein privater Termin...Morgens aufwachen, aufs Handy schauen, E-Mails checken, noch im Halbschlaf die ersten Nachrichten beantworten. Das erste Bild liken. Der Tag hat noch nicht mal richtig begonnen, und schon fühle man sich schon gehetzt. Als würde die Welt da draußen nur darauf warten, dass man in Verzug gerät. Irre, oder? Dabei habe ich da grundsätzlich kaum Antreiber in meinem Leben, außer dem schlechten Gewissen.
Lothar Seiwert, so ein Zeitmanagement-Guru, nennt das die „Tyrannei der Dringlichkeit“. Klingt dramatisch, trifft es aber genau auf den Punkt. Wir lassen uns von den lautesten Schreien leiten – wer am meisten Lärm macht, bekommt unsere Aufmerksamkeit. Die Mail vom Chef, die WhatsApp vom Kunden, die Wünsche der Kids, der Haushalt, der Anruf von Freunden... und schon ist der eigene Plan für den Tag im Eimer.
Ich ertappe mich dabei, wie ich abends im Bett liege und denke: „F*ck, schon wieder nicht genug geschafft. Du wolltest doch noch... dies und das. “ Und obwohl ich auch ein König im Prokrastinieren sein kann, so ist diese Spirale tückisch – und ich bin mittendrin. Aufschieberitis geht dann schneller los, als man es möchte. Mache ich gleich, mache ich morgen, mache ich, wenn Geld auf dem Konto ist, wenn die Sonne scheint .... name it.
Das Perverse daran:
Selbst wenn ich mal eine Pause mache, nagt dieses schlechte Gewissen an mir. Als wäre Ausruhen eine Art Verbrechen. Schuldgefühle, weil ich nicht so produktiv bin. Scham, weil alle anderen scheinbar mehr schaffen. Zumindest laut Instagram, LinkedIn.... da postet jeder seine Erfolge, während ich mir gerade einen Kaffee gönne und aus dem Fenster schaue. Oder nur gedankenverloren im Büro sitze, statt die piepende Spülmaschine direkt auszuräumen. Homeoffice kann da, bei der Selbstorganisation, dem eigenen Zeitmanagement tricky sein.Die Gesellschaft erwartet von uns, dass wir nun mal, dass wir funktionieren. Immer. Ständig. Ohne Aussetzer. Hohe Leistungsstandards in Schule, Beruf und Alltag. Und dann kommen noch die persönlichen Ansprüche dazu. Diese innere Stimme, die flüstert: „Das kannst du besser. Das reicht noch nicht. Streng dich mehr an. Da geht noch was. Und zwar mehr und besser„
Wenn ich so darüber nachdenke, woher kommt dieser Druck eigentlich? Anerzogen?
Casey Neistat, YouTuber, hat mal seinen Tagesablauf geteilt: 3 Stunden Sport, 14 Stunden Arbeit, 3 Stunden Familie, 4 Stunden Schlaf, 0 Stunden Freizeit, 0 Stunden Spaß. Und ich dachte: „Wow, was für ein kranker Scheiß ist das eigentlich?“ Klar, der Typ ist der unbestrittene Technik- und Gadgetkönig, aber so ein Leben würde mich auf keinen Fall glücklich machen.
Und ja, es ist richtig, das Internet und Social Media haben alles verändert. Ständig erreichbar, ständig online. Eine Studie zeigt, dass Unterbrechungen durch Benachrichtigungen die Produktivität um bis zu 40 % verringern können. Und trotzdem kann ich das Smartphone selten weglegen. Was, wenn ich was verpasse? Was, wenn jemand was Wichtiges will? Doomscrolling Galore. Aber auch andere Ablenkungen sind tückisch und link. So könnte man ja innerhalb eines Projekts, Schaffensprozess, auch mal eine Pause einlegen, um zum Beispiel das Essen für die Kids am Nachmittag schon am Vormittag zwischen der Arbeitszeit vorzubereiten. Ich tu mich da echt schwer, denn wenn ich in einer Umsetzung bin, gerade ich schnell in den Hyperfokus und arbeite die Aufgabe lieber in einem Rutsch komplett ab – denn wenn meine Aufmerksamkeit dort durch andere Aufgaben unterbrochen wird, bin ich nicht mehr in dem kreativen Flow, in dem ich mich vorher befand. Dann wird die Arbeit anstrengend. Aber ich sehe auch ein, es wäre für das Gesamtgefüge des Tagesablaufs sicher besser. Zwickmühle pur.
Ich hab neulich einen Sonnenuntergang beobachtet. Orange und violette Streifen am Himmel, warme Brise, Vögel zwitscherten. Und was hab ich gemacht? Ich hab versucht, den Moment festzuhalten. Hab ein Foto gemacht für Instagram. Hab überlegt, welcher Filter am besten passt. Hab den Moment nicht so bewusst erlebt, sondern dokumentiert. Absurd, oder? So geht es mir häufig und meine Frau macht mich da auch mehr und mehr darauf aufmerksam. Zugegeben, ich finde es sogar entspannend diese Bilder zu machen und Situationen festzuhalten – jedoch ist mir klar, dass es Momente gibt, die man im Inneren besser abspeichern bzw. konservieren könnte als in der Cloud. Puh... was für ein Zwiespalt.
Keine Frage, Zeitmanagement kann helfen. To-do-Listen, Prioritäten setzen, Grenzen ziehen. Aber manchmal frage ich mich, ob das nicht nur Teil des Problems ist. Wir versuchen, jede Minute zu optimieren, jede Sekunde produktiv zu nutzen. Als wäre Zeit eine Ressource, die man ausbeuten muss. Wir die Arbeitsdrohnen. Leistungsgesellschaft und Sozialisation – von Nix kommt nix. Bullshit.
Und ja, es ist richtig, das Internet und Social Media haben alles verändert. Ständig erreichbar, ständig online. Eine Studie zeigt, dass Unterbrechungen durch Benachrichtigungen die Produktivität um bis zu 40 % verringern können. Und trotzdem kann ich das Smartphone selten weglegen. Was, wenn ich was verpasse? Was, wenn jemand was Wichtiges will? Doomscrolling Galore. Aber auch andere Ablenkungen sind tückisch und link. So könnte man ja innerhalb eines Projekts, Schaffensprozess, auch mal eine Pause einlegen, um zum Beispiel das Essen für die Kids am Nachmittag schon am Vormittag zwischen der Arbeitszeit vorzubereiten. Ich tu mich da echt schwer, denn wenn ich in einer Umsetzung bin, gerade ich schnell in den Hyperfokus und arbeite die Aufgabe lieber in einem Rutsch komplett ab – denn wenn meine Aufmerksamkeit dort durch andere Aufgaben unterbrochen wird, bin ich nicht mehr in dem kreativen Flow, in dem ich mich vorher befand. Dann wird die Arbeit anstrengend. Aber ich sehe auch ein, es wäre für das Gesamtgefüge des Tagesablaufs sicher besser. Zwickmühle pur.
Ich hab neulich einen Sonnenuntergang beobachtet. Orange und violette Streifen am Himmel, warme Brise, Vögel zwitscherten. Und was hab ich gemacht? Ich hab versucht, den Moment festzuhalten. Hab ein Foto gemacht für Instagram. Hab überlegt, welcher Filter am besten passt. Hab den Moment nicht so bewusst erlebt, sondern dokumentiert. Absurd, oder? So geht es mir häufig und meine Frau macht mich da auch mehr und mehr darauf aufmerksam. Zugegeben, ich finde es sogar entspannend diese Bilder zu machen und Situationen festzuhalten – jedoch ist mir klar, dass es Momente gibt, die man im Inneren besser abspeichern bzw. konservieren könnte als in der Cloud. Puh... was für ein Zwiespalt.
Keine Frage, Zeitmanagement kann helfen. To-do-Listen, Prioritäten setzen, Grenzen ziehen. Aber manchmal frage ich mich, ob das nicht nur Teil des Problems ist. Wir versuchen, jede Minute zu optimieren, jede Sekunde produktiv zu nutzen. Als wäre Zeit eine Ressource, die man ausbeuten muss. Wir die Arbeitsdrohnen. Leistungsgesellschaft und Sozialisation – von Nix kommt nix. Bullshit.
Denn die Zeit ist doch eigentlich etwas, das wir erleben sollten. Nicht ausgeben, nicht sparen, nicht optimieren – sondern leben. Im Hier und Jetzt.
Und ich schreibe diese Zeilen, um sie mir als Mantra aufzuerlegen. Um mich auch in Zukunft daran zu erinnern, dass es nicht schlimm ist sein Handy mal einfach im Haus liegenzulassen. Schwer ist das, jedenfalls für mich. Es fühlt sich wie ein Fehler im System an. Doch wir haben viele Ressourcen, aber sie sind begrenzt. Wenn die Arbeitszeit auf Kosten von Schlaf, Ernährung, Freizeit und sozialen Kontakten geht, führt das direkt in den Burnout. Braucht keiner. Meine Chefs sind so freundlich und behelligen mich auch in meiner Freizeit nur in Ausnahmefällen mit Mitteilungen. So bleibt zumindest die Freizeit, Freizeit. Aber auch da muss man priorisieren.
Learning:
Leibniz über Zeit
"Zeit ist nur ein gedankliches Konstrukt ohne eigenes 'Wesen'. Sie ist die Ordnung des nicht zugleich Existierenden und die allgemeine Ordnung der Veränderungen, in der nämlich nicht auf die bestimmte Art der Veränderungen gesehen wird."
Learning:
Die Erwartungen an einen selbst zu überprüfen. Muss ich wirklich immer erreichbar sein? Muss ich wirklich jede Mail sofort beantworten? Muss ich wirklich jeden Tag produktiv sein?
Vielleicht ist die Lösung, bewusst Zeit zu „verschwenden“. Einfach mal dasitzen. Nichts tun. Aus dem Fenster schauen. Einen Kaffee trinken, ohne dabei aufs Handy zu starren. Ein Buch lesen, ohne dabei an die Arbeit zu denken. Eine Platte aufzulegen und sich auf die Couch zu fläzen, ohne schlechtes Gewissen. Das auch während der Arbeitszeit? Nun, ja, denn es kann aktuellen Studien zufolge die Leistung sogar steigern.
Vielleicht ist die Lösung, bewusst Zeit zu „verschwenden“. Einfach mal dasitzen. Nichts tun. Aus dem Fenster schauen. Einen Kaffee trinken, ohne dabei aufs Handy zu starren. Ein Buch lesen, ohne dabei an die Arbeit zu denken. Eine Platte aufzulegen und sich auf die Couch zu fläzen, ohne schlechtes Gewissen. Das auch während der Arbeitszeit? Nun, ja, denn es kann aktuellen Studien zufolge die Leistung sogar steigern.
In buddhistischen Traditionen gibt es diese Sandmandalas.
Mönche verbringen Hunderte von Stunden damit, komplexe Muster aus farbigem Sand zu erschaffen. Und wenn sie fertig sind? Zerstören sie ihr Werk. Einfach so. Als Erinnerung daran, dass nichts von Dauer ist. Nicht einmal unsere Arbeit.SandMandala
Erschaffe dein eigenes Mandala mit Sand und Farben
Sandfarbe
Sandform
Sandgröße
Symmetrie
Zeit ist nun mal keine Ressource, die man ausgeben kann, sondern eine Wirklichkeit, die man erlebt. Zeit ist nichts, was wir verschwenden, ausgeben, horten oder haben, besitzen können. Vielmehr ist sie etwas, was wir sind.
Aus dieser Perspektive trägt Zeitverschwendung – zwecklos existieren – kosmische Bedeutung. Es ist ein Seinszustand, in dem unser Wesen nicht an Optimierung, Systematisierung oder Subventionierung gebunden ist. Es ist eine Notwendigkeit.
Wenn ich darüber nachdenke, sollte ich jetzt eigentlich aufhören zu schreiben – und etwas von meiner kostbaren Zeit verschwenden.
Wenn ich darüber nachdenke, sollte ich jetzt eigentlich aufhören zu schreiben – und etwas von meiner kostbaren Zeit verschwenden.
Musste ich nur mal wieder loswerden und dabei nicht vergessen:
Marty McFly told me the Future will be Great.