Einmal richtig einen auf den Deckel bekommen, ist im Netz einfacher als gedacht und doch mehr als moralisch daneben.
Ich habe also 2011 Bilder eines amerikanischen Fotografen kuratiert, kurz über ihn geschrieben, auf seine Webseite verlinkt und ihn für sein Werk gefeiert. Ich habe leider den Fehler gemacht, ihn vorab nicht zu fragen, ob ich seine Bilder auf meinem Blog zeigen dürfte. Es war 2011, also vor 8 Jahren, eine Zeit, wo sich Kreative über Blogbeiträge und kostenlose Öffentlichkeitsarbeit noch freuten. In weiteren Beiträgen der folgenden Jahre, habe ich mir durchaus die Mühe gemacht und die Fotografen alle angeschrieben, zu 99% habe ich eine positive Zusage bekommen und dann die Fotos auf meinem Blog gezeigt. Dies rührte bei mir aus der Intention, dass die Fotografen dann einen Beleglink für ihr Portfolio haben. Das kam überaus gut an und ich bin mit Atomlabor auf einigen Seiten von Fotografen verlinkt. Danke dafür - Win-Win.Warum ich diesen speziellen Künstler nicht angeschrieben habe, kann ich nicht mehr sagen, es ist ja urlange her und der Beitrag wanderte dann irgendwann ins Blog-Archiv. Kann auch sein, dass ich es versucht habe und keine Antwort bekam. Was ich aber mit absoluter Sicherheit sagen kann, ich finde die Fotos immer noch cool und habe ihn in den höchsten Tönen gelobt, seine Fotos gefeiert, ihn namentlich erwähnt und auf sein Portfolio verlinkt - auch die Bildquelle wurde von mir erwähnt.
Natürlich, juristisch reicht das nicht aus, aber ich wollte mich ja niemals an der Präsentation dieser Bilder bereichern, meinen Blog damit nicht illustrieren, sondern habe eigentlich kostenlose Werbung für den Fotografen gemacht. Nie einen Gedanken daran verschwendet, dass man es anders wahrnehmen könnte. Wie oben schon erwähnt war es damals für fast alle Fotografen fein, denn sie fühlten sich geehrt auf Blogs zu erscheinen und gehypted zu werden. Doch im Laufe der Zeit, gab es wohl dann den Wunsch nach Zweit- und Drittvermarktung. Urheberrechtsverletzungen durch Influencer sind da sicher zu einem Teil schuld an dieser Begebenheit. Oder aber, man ist gierig geworden und hat ein neues Geschäftsmodell für sich entdeckt - Lizenzen bzw. Schadensersatz(!) einklagen.
Nun ja, jetzt hat wohl der Bot (Software) seiner Bildagentur (aus New York) die Fotos in meinem Archiv entdeckt und eine bekannte Münchner Abmahnkanzlei damit beauftragt mir eine Abmahnung mit einer sehr weit gefassten Unterlassungserklärung zukommen zu lassen. Kann man machen, ist aber extrem scheiße.
Mein erster Schritt war kein Schritt, es war eine Schockstarre. Du schaust auf den Brief und denkst dir, dass es nicht wahr sein kann. Das ist abstrakt, obskur gar.
Aber ja, die Fotos sollten innerhalb einer extrem kurzen Frist gelöscht werden und die strafbewährte Unterlassungserklärung sollte unterschrieben innerhalb einer Woche in der Kanzlei vorliegen. Wow. Nach einem Telefonat mit meiner Urheber- und Medienrechtsanwältin hat sie direkt eine Fristverlängerung beantragt und die Unterlassungserklärung komplett überarbeitet. Eine dreistellige Summe ging darauf an meine Anwältin, welche auch sehr darauf bedacht war mich noch ordentlich zu belehren. Eine sehr gute Anwältin, die sich mit solchen Fällen, den Geschäftsmodellen und Blogs auskennt.
Jetzt geht es ans Eingemachte.
Nun steht der dem Kläger zustehende Schadensersatz noch aus und die Anwaltkosten des Abmahners muss ich natürlich auch tragen. Jetzt kann man sagen, "Hey Jens was machst du für ein Theater, du verdienst doch auch Geld mit deinem Blog. Hättest du einfach besser aufpassen müssen und Rhabarberrhabarber...", aber so einfach ist das nicht, denn bei mehr als 6500 Beiträgen können sich Leichen ansammeln und auch wenn sie im Archiv landen und nur bei expliziter Suche gefunden werden, sind sie vorhanden und irgendwie auch ein Bestandteil meines Blogs.Klar, wenn mir solche Blogjugendsünden" auffallen (und ja, das Netz war damals anders - gefühlt freier und fairer, ein Geben und Nehmen, ein Win-Win, ein "Zeig gerne meine Fotos, denk aber daran mich zu verlinken"), dann entferne ich sie auch umgehend, passe sie an. Aber ja, ein Blog ist keine statische Webseite und das Urheberrecht wie es besteht für Lifestyleblogs nicht gemacht. Ich bin ja auch kein Bilderdieb und verwehre mich gegen jegliche Unterstellung, aber Juristen sehen das halt sehr nüchtern und anders.
Keine Frage, es war ein Fehler von mir ohne explizite Erlaubnis die Fotos zu zeigen, welche in tausend anderen amerikanischen bis russischen Blogs zu sehen waren, auf Pinterest gesammelt und on- wie offline in Printmagazinen veröffentlicht wurden. Ich habe mich von dem Motiv verleiten lassen, wo alternde Schauspieler in den Kostümen ihrer größten Rollen gezeigt wurden. Es war für mich eine popkulturelle Reminiszenz, eine virtuelle Verbeugung vor den Akteuren und der Idee des Fotografen sie so zu präsentieren. Ich habe dieses popkulturelle Kunstwerk als Geschenk des Fotografen für die Betrachter gefeiert, mir die anderen Werke des Fotografen mit Genuss angeschaut und das Foto als "Bild des Tages" im Blog präsentiert. Wem habe ich nochmal geschadet? Ach ja, in erster Linie mir selbst. Fuaq.
Mehr als 12 Jahre schreibe ich hier schon, viele Fotos sind von mir, es sind Pressebilder aus Presseverteilern dabei, Werbebilder, Memen und so weiter... ab und an ändern sich Lizenzen, hin und wieder wird man informiert, dass Bildrechte auslaufen und man sie bitte entfernen mag - einer Bitte, der ich umgehend Folge leiste. Aber so etwas habe ich im ganzen letzten Jahrzehnt des Bloggens nicht erlebt und finde es widerwärtig. Ich habe in den letzen Monaten viele Beiträge gelöscht, offline genommen und angepasst... Beiträge, welche in den Untiefen meines Archivs zu finden waren und ich mir der Rechte nicht mehr sicher war oder die Erlaubnis-Mails des Urhebers nicht mehr gefunden habe.
Aber wenn dann eine utopische Schadensersatzsumme inkl. Anwaltskosten der Gegenpartei von 11.141,90 Euro eingefordert werden, der aus meiner Sicht völlig überzogene Gegenstandswert auf 36.250 Euro festgesetzt wird, dann fällt dir nichts mehr ein. Naja, vielleicht noch Schimpfworte. Wenn sowas für eine Hand voll Bilder auf einen niederprasselt, dann schaut man dumm aus der Wäsche und weiß erstmal nicht wo einem der Kopf steht. Man bekommt Zukunftsängste, schlaflose Nächte und überdenkt das Bloggen in Deutschland.
Vielleicht sollte ich auch erwähnen, dass mein Blog Atomlabor im Jahr 2011 noch nicht gewerblich war. Interessiert Heuschrecken aber nicht. Mir geht es um Kunst, ihnen geht es scheinbar um einfaches schnelles Geld. Klar, benötige ich auch Geld und daher gibt es hier im Blog ja auch Kooperationen und Werbung, aber ich muss auch eine Familie mit drei Kindern versorgen. Interessiert nicht - jedenfalls nicht die Bildagentur und viel weniger solche Abmahnanwälte, die mahnen lieber Blogger ab und kaufen sich von dem Geld dicke Sportwagen oder auch nicht. Auf jeden Fall ist Abmahnen einen Industrie für sich. Das Thema möchte ich jetzt aber nicht vertiefen.
Geht es um Recht und Unrecht? Nein, ich denke der Blogbeitrag hat eher noch SEO fürs Portfolio des Fotografen gebracht, die Fotos sind schon hundertfach bezahlt worden, nicht zuletzt weil sie in einem Magazin als Auftragsarbeit abgedruckt wurden. Ganz klar, ich habe einen Fehler gemacht. Aber direkt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen ist abartig und als Urheber oder Rechteinhaber würde ich mich schämen. Ich tue es auf jeden Fall, dass ich diese Fotos hier veröffentlicht habe. Ein " Hey, kannst du die Fotos bitte offline nehmen", hätte gereicht und wäre fair gewesen.
Aber eine Rückgratbrechende-Summe von 11.141,90 Euro ist echt obszön.
Meine Anwältin sah diesen Betrag auch nicht als gerechtfertigt an und erstellte ein Vergleichsangebot, immerhin wurde der Urheber der Fotos von mir namentlich als dieser erwähnt und auf sein Portfolio verlinkt inkl. der Namensnennung der Webseite.
Nach unserem Gegenangebot war lange Ruhe.
Nun, nach einem guten halben Jahr später, gab es endlich die Antwort der Gegenpartei.Man möchte nicht auf mein Gegenangebot eingehen, aber hat eine neue Vergleichsregelung mitgeschickt. Mit einem Gesamtbetrag von 2900€ bin ich aus dem Schneider und wir werden uns nicht vor Gericht sehen. Puh... aber 2900€ ist auch ne Menge Holz, zumal ich auch schon 600€ an meine Anwältin zahlte.
Dafür muss eine alte Oma viel Stricken und ein Blogger sehr viele Aufträge erhalten.
Warum ich das jetzt alles hier in meinen Blog schreibe? Ganz einfach: soviel Kohle habe ich einfach nicht auf einen Schlag parat. Deshalb hoffe ich, dass ihr, als meine Blogleser, mir vielleicht ein wenig Unterstützung zukommen lassen könnt. Ich finde die Situation absolut blöd und unangenehm und vielleicht bringt so ein Spendenaufruf ja auch gar nichts, aber ich habe in der Vergangenheit auch Blogkollegen unterstützt, wenn es hart auf hart kam und daher wage ich hier mal den Aufruf für mich. Vielleicht erinnert sich der Eine oder Andere ja noch.
Niemand soll sich natürlich genötigt fühlen mir/uns in dieser Situation zu helfen. Wer es aber gerne tun möchte und auch kann, dem danke ich schon jetzt von ganzem Herzen.
Bis zum 21.06.2019 soll das Geld nun auf das Konto des Anwalts überwiesen werden. Spenden sind also willkommen und ich hoffe auf Hohn und Missgunst nicht eingehen zu müssen. So ein Shice kann jeden treffen - geht aktuell leider recht einfach und schnell, wenn man im Netz aktiv ist.
Wer mich also finanziell unterstützen mag und kann, der darf gerne ein wenig helfen. Ich sammele nur den Gesamtbetrag der Gegenpartei ein - also 2900€.
Dafür habe ich diese Spendenplattform von Leetchi für mich eingerichtet.
Danke für die Hilfe.