"Thirst", ein elektrisierendes Mashup von kühlem europäischen Techno und den warmen Klängen von R&B, HipHop und Pop.
SebastiAn ist zurück und haut sich selbst kräftig aufs Maul. Nein, musikalisch eher auf die Pauke, auf dem Cover kämpft er aber gegen sich selbst. Der französische Musiker, aus dem Ed Banger Stall, hat mit Thirst ein weiteres eklektisches Werk erschaffen, welches in seiner fraktaklen Struktur doch homogen erscheint. Wummert der Bass erbarmungslos, so wird er im nächsten Moment von weichen und warmen HipHop-Baselines eingefangen. Ich mag es schon total, wenn man sich die Mühe macht und auf dem Nachfolgealbum ein Cover-Bild anzitiert, welches im Zusammenhang mit dem Vorgänger steht.
So hat der Elektronikkünstler SebastiAn auf "Total" Selbstliebe praktiziert, in dem der Modefotograf Jean-Baptiste Mondino ihn sich selbst küssen lies und auf "Thirst", sich im Faustkampf gegen sich selbst, ablichtete. Höchst kreativ und von der "Selbstliebe" bis zum "Selbsthass" portraitiert. Was das bedeutet, weiss nur der Künstler selbst, wobei "Thirst" schon vom musikalischen Schaffen und den Musikvideos, um einiges gewalttätiger und monströser daher kommt als der Vorgänger.
SebastiAn feuert auf den 14 Tracks eine überwältigend Dancefloor-taugliche Elektro-Pyrotechnik ab, stets durchzogen von einer souligen Wärme. Nicht alles geht stringent nach vorne, aber der rote Faden ist erkennbar.
Früher sprach man vom ‚French Touch‘, alle haben alte Disco-Songs gesamplet. Ich bezeichne meine Musik manchmal als ‚Strange Noise‘, aber letztlich ist es doch Pop.
Die beeindruckende Gästeliste von "Thirst" ergab sich laut SebastiAn durch Zufall. Er traf alle seine Künstler persönlich, was schon untypisch für eine Zeit, in der Gesangsspuren nur als Dateien zwischen Kontinenten ausgetauscht werden, ist.
Ich wollte nicht unbedingt bekannte Personen dabei haben. Mir ging es um persönliche Connections, es sollte alles sein, nur nicht fake. Das macht heute niemand mehr so. Aber für mich es ist extrem wichtig, zusammen zu arbeiten und zu lachen.
SebastiAn erinnert sich an das Treffen mit der legendären Post-Disco-Band Sparks um die Brüder Ron und Russell Mael, die am dadaistischen "Handcuffed to a Parking Meter" mitwirkten. Es war auch für ihn sensationell. Ich persönlich feiere aber natürlich das Mitwirken von Mayer Hawthorne. Schade nur, dass das letzte Musikvideo doch im letzten Moment vor der Veröffentlichung noch komplett geändert wurde und man nicht Mayer am Strand von Cali singen sah. In der Preview konnte ich das Werk schon sichten und fand es persönlich besser, So what - es ist ja nur ein kleiner Wehmutstropfen.
01. Thirst
Da muss ich nicht viel erwähnen, es ist hart, es ist gut, es ist gewaltig. Ein perfekter Opener für das gleichnamige Album.
02. Doorman feat. Syd
Ein ruhiger Pop Song, der an entspannte französische Stücke erinnert. Ein wenig Glitch, eine Syd, die mit ihrem alternative R& eine gewisse Grundästhetik ins Spiel bringt. Es erinnert ein wenig an eine poppige Variante von Portishead... für mich zumindest.
03. Movement
Ein Song der wie Beatles auf Drogen beginnt und sich im Rausch sehr mellow ergießt.
Mayer und die Liebe, die Sehnsucht, sanft im Falsett hört sich der Song ein wenig wie die moderne Variante von Tears for Fears an.
05. Pleasant feat. Charlotte Gainsbourg
Jetzt wird es düsterer, melancholischer, druckvoller. Wummernde Bassline, Verzerrer, doch noch entspannt. Ein Soundtrack für einen mystischen Abenteuerfilm.
06. Yebo feat. Allan Kingdom
Der kanadische Rapper von Thestand4rd, ist nicht so mein Fall und der aus meiner Sicht überzeugt der Song Yebo hier nicht. Zu aufreibend, zu sehr Stilbruch in diesem Album. Erst zur Mitte des Songs wird es für meinen Geschmack clubtauglich.
07. Sev feat. Sevdaliza
Die niederländisch-iranische Sängerin droppt hier sauberen Avant-Pop. Es bleibt alles gewohnt dunkel und mit einer gewissen Bodenhaftung.
08. Sweet feat. Loota
Süßer Vocals, dann Loota, der japanische HipHop-Künstler. Es klingt für mich wie Dream-Pop. Ganz okay, aber nicht direkt mein Ding.
09. Sober feat. Bakar
Ich höre den Anfang des Songs und ich kenne ihn irgendwo her. Also die Machart. Ich habe das Vorbild irgendwo auf Vinyl, aber ich komme verdammt joch mal nicht drauf was es ist. Auf jeden Fall startet die Eingangsfrequenz mit einer Synth-Spur, welche sich potenziert. War es von Daft Punk? War es Justice? Es hört sich ein wenig an wie die CRAFTsynth. Sei es drum, klingt interessant und wird auch im Verlauf noch besser. Der Londoner Bakar, bringt mit seiner emphatischen Stimme ein besonderes Flair in den Song. Aggressive Elektronik, die mit Bakars emphatischem Gesang zu einer besonderen Symbiose vereint wird. Spannend.
10. Time To Talk feat. Sunni Colon
Yeah, so ein Song hatte noch gefehlt. Sunni Colón bringt den Electronic Dance in SebastiAns Album. Druckvoll, tanzbar, soulig, funky. Geiler Track.
11. Beograd
Das Musikvideo haben wir ja schon gesehen, gehört. Ein echter French Touch. Damit unterstreicht SebastiAn sein Label. Geiler Track.
12. Handcuffed To A Parking Meter feat. Sparks
Ab in die Trickkiste gegriffen und Ende 80er Tunes dank Sparks in den Track gezaubert. Es hätte auch Alphaville sein können, denn ein hauch "For a Million" schwingt mit. Glaubst du nicht? Hör dir nochmal die Indie-Pop Nummer an. Das Ding rockt auf jeden Fall mächtig. Ich klopfe mir gerade übrigens für diesen Treffer selbst auf die Schulter. Ich glaube das mir dieses Feature am Besten gefällt. Ron und Russell Mael haben hier latent fett aufgetragen - wer die Basis kennt, der ist geflashed.
13. Devoyka
Nach dem Sparks Knaller eher eine ruhige, rührende Nummer. Schon fast Klassik. Nach dem Highlight Album von Ed Banger eine schöne Reminiszenz.
14. Run For Me feat. Gallant
Darf es ein wenig R&B sein, so richtig? Dann ist Christopher Joseph Gallant III die Instanz auf diesem Album dafür. SebastiAns Beats klingen nach Justice. Gallant mal im Autotune mal ohne und es ist ein echt schöner Song. Gelungen.
Ein durchaus solides Album des serbisch-französischen Künstlers Sébastien Akchoté-Bozović. Nach dem zweiten Mal durchhören, gefällt es mir sogar noch besser. Ein Albumtipp.
Sebastian "Thirst"
VÖ: 08.11.2019
(Ed Banger/ Because Music/ Caroline)
SebastiAn Portrait © Credit Virginia Arcaro