Daniel Ebel ist zurück und "Jedes kleine d hat ein großes Ende, Mann!".
Lange hat man kein eigenes Werk mehr von Dendemann gehört, na klar... als musikalischer Leiter im Neo Magazin Royal, ein Amt, welches er 2015 von Jan Böhmermann bekam, hat er u.a. die elfminütige Hommage an Deutschrap intoniert. Aber ein eigenes neues Album lag da noch in weiter Ferne, wie eine Reise zum Mond. Das ändert sich nun und die Spatzen pfiffen es schon Monate davor von den Dächern. Die ersten Musikvideos haben wir schon gesehen und das Netz ist voll von Promo. Kurz vor der Veröffentlichung habe ich nun auch das Album zur Rezension erhalten und meine Erwartungen waren ähnlich hoch wie bei den letzten Alben der Beginner und Fünf Sterne deluxe. Bevor ich also diesen Beitrag veröffentlicht habe, habe ich nochmal darüber geschlafen und ihn ein weiteres Mal bearbeitet. Warum das so ist, kannst du jetzt hier lesen. Deutsche Album Charts werden aber sicher von ihm gerockt, denn der Hype ist groß.Acht Jahre nach der letzten Platte “vom Vintage verweht“, veröffentlicht DENDEMANN sein neues Studioalbum “da nich für!“, auf dem der Rapper alle Stränge seiner Karriere konsequent zusammenführt, und so politisch, wach und auf den Punkt ist, wie noch nie
Wie wir alten Hase wissen, muss man seine Erwartungshaltung ein wenig herunterschrauben, weil es immer um den kommerziellen Erfolg, im Kausaleffekt durch die Symbiose "alte Hörer" und "neue Hörer" im Bezug auf den musikalischen Zeitgeist, geht. So darf man jetzt keinen Boombap erwarten, welcher durch Storytelling und Wortwitz zum Strahlen gebracht wird. Vielmehr ist es ein neuer Dendemann, der gereift von seinem musikalischen Umfeld weiter geschliffen wurde. Aus einem Edelstein kann kein Diamant werden, aber ein Diamant kann einstauben und seinen Glanz verlieren. Was hilft? Aufpolieren und da sollen Trettmann, Casper und Beats von The Krauts, KitschKrieg, I.L.L.Will, Dexter, Reaf und Torky Tork, helfen. Es funktioniert und als "Hörer erster Stunde", muss man seine verstaubten Ohren an einen neuen Sound gewöhnen ^^.
Was haben wir gewartet...
Da ist der Dende aber auch selbst Schuld dran, wenn man sich so lange Zeit für neues lässt. Dann legen die eingefleischten Fans nun mal altes Vinyl auf und haben einen etwas anderen Künstler im Ohr. Wir reifen alle und trotzdem hängen wir unseren alten Erinnerungen nach. Doch Daniel positioniert sich einfach locker zwischen den Stühlen und lässt sich somit nicht vorwerfen er würde eine Trendhure sein.Und ja, ich feiere immer noch die alten Songs von Eins Zwo, aber das war halt gestern und nein, Trettmann überzeugt mich immer noch nicht und dies Art der Musik erinnert mich an Flexen - aber da musst du nachsichtig mit mir sein, ich bin halt auch schon ein Best-Ager ^^. Gleichalt wie der Künstler.
Kurz vorweg: Die meisten Tracks wurden von "The Krauts" produziert und das ist grundsätzlich ein Garant für gute HipHop-Beats - lediglich eine Zusammenarbeit mit weiteren Künstlern des Genre kann da Reingrätschen wie Littbarski ^^.
Jetzt widme ich mich aber dem Album zu und werde es für mich und dich, Track für Track, besprechen:
Ein klassischer Intro-Track wie wir es eigentlich auf Debüt-Alben gewohnt sind. Nach 8 Jahren Abstinenz im Rap-Game (Neo Royal mal außen vor), ist ein selbstreflektierte Track mit Namedropping sinnvoll ^^. Ich finde es sehr langweilig, was er da als Opener für sein neues Album veranstaltet hat, aber nun ja. Hi my name is...
02. Alle Jubilare wieder
Na also, es geht doch. Der Beat ist nice, der Rap ist fresh, so möchte man einen Dendemann hören und so bekommen wir ihn. Das wäre eigentlich der erste Track auf einem neuen Album und musste sich hinten anstellen. Why? Vielleicht damit man Youngster den Dende verkaufen kann. Also der Beat ist ein klassischer Kopfnicker und mit Casper am Start, ist dieser Track ein Killer wenn auch destruktiver, als der Titel verspricht - Zeitgeist halt. Bisher mein Lieblingssong, mal schauen ob es so bleibt.
03. Keine Parolen [YT direkt]
Sozialkritisch wie wir Dendemann kennen, haben wir ja schon das Musikvideo gefeiert. In Zeiten wo Parteien wie AfD noch existieren, ist dieser Song ein Muss. Ein Song über politische Verdrossenheit und egoistische Gleichgültigkeit in der Gesellschaft. Der verspielte Beat knüpft an alte Dendemann Alben an und ist vom Text bewusst brachial. Auch hier wird wieder der Zeitgeist aufgegriffen. Absolut ein guter Track, doch vermisse ich ein wenig den positiven roten Faden - vielleicht finde ich diesen ja in weiteren Stücken des Albums.
04. Müde
Ach komm schon, jetzt muss doch eine richtige Uptempo-Nummer kommen, oder? Was "Müde" aussagt, fängt auch mit sanften Beats an und dann geht es ab... yeah.. So will ich den Dendemann hören. Schneller Rap, kurze Lines und ein Statement. Der Jazz-Beat ist richtig nice. Quasi ein traditioneller Track.
05. Menschine
"...wenn die Leute wie Maschinen, nur noch für die Arbeit leben". Ein abstrakter Beat, hach wie zieht einen dieser Track wieder runter. Ich habe den Anfang von Senior Rossi auf der Suche nach Glück im Kopf. "Sei kein Nörgler und Hater - Alter, Work hard and Play hard"... Dendemann hat recht, mit dem was er anspricht, aber die Wahrheit ist so hart und soooo... ausgelutscht. Der Song wirft die Frage zum Verhältnis von Mensch und Maschine auf. Sehr trappig und irgendwie anders als die anderen Songs - genau das gefällt mir.
06. Drauf & Dran
Femal-Vocals von Inez Schaefer starten einen drumlastigen Song. Flächiger Mellow-Beat macht sich breit mit leichtem Autotune. "Meine Reime wie Grafitti, immer ein-wand-frei" - das wars schon. Ehrlich jetzt? Laaaaangweilig. Und ich habe so darauf gehofft, dass endlich der Knoten platzt.
07. Wo ich wech bin [YT direkt]
Mensch, das Musikvideo haben wir ja alle schon gesehen und der Track ist so wie ich alle erwartet hätte. Man nimmt einen nicen Wescoast Funk Beat und droppt feinste Wortakrobatik darüber. Auch ruhig, aber sehr erwachsen und klasse. Was Torky Tork da für einen guten Beat zusammengeschraubt hat, merkt man beim mehrmaligen Hören. Nochmal, das ist ein Dendemann Track vom Feinsten.
08. Zeitumstellung
Way back in die 80er - kennt jemand das Sample des Beats? Dexter hat hier einen richtig guten Beat geschraubt und so belanglos wie Dendemanns Rap darüber ist, so gut ist der Track dennoch.
09. Zauberland
David Conen und Vincent von Schlippenbach (den wir noch als DJ Illvibe von Seeed kennen) haben hier einen Soundtrack zum Untergang des Zauberlands gefertigt. Auch wieder ein Track der die aktuelle Lage der Nation und den Zeitgeist aufgreift, warum hat es kein Partytrack auf dieses Album geschafft... ich ziehe mich regelrecht daran hoch. Dende ist hier auf jeden Fall in Hochform und überzeugt. Der Beat der zwei von drei "The Krauts" intoniert tragend die tragische Lyrik. So destruktiv der Inhalt, so gut ist dieser Song aber und wird sicher einer der wenigen, welchen ich mir regelmäßig anhören kann.
10. Bgstrng
Oh, ein Jan Delay und Denyo Track... im 80er Style. Digi-Funk mit Synth.. dann ein tighter Dendemann. Hier klappt die Verbindung von New und Oldschool perfekt und Jeremia Anetor hat da zusammen mit The Krauts einen musikalisch guten Track gemeistert. Clubtauglich gehört das Ding laut aufgedreht angehört. Na geht doch.
11. Littbarski [YT direkt]
Sicher kein Brett (wie einige es schon jubelnd ausposaunten). Trettmann / Kitschkrieg halt.... Autotune shizzle. Dann kommt der Part vom Leadsinger Dende und der rappt da richtig gut drauf und dann geht es weiter mit dem sogenannten Dancehall Banger. Da das Musikvideo ja schon früh ausgekoppelt wurde, kann man den Erfolg des Dings anschauen... ob es nun eine Parodie ist, ob ich vielleicht musikalisch beim Boombap hängen geblieben bin und die Weiterentwicklung eines Künstlers nicht wahrhaben möchte.. stellen wir es mal einfach so in den Raum. Aber zusammen mit dem Text, wird ein Schuh daraus und so bleibe ich bei meiner Meinung - hier hören wir kein Brett, hier hören wir die Satire auf Trapsongs, auf Influencer-Shizzle und aktuellen Deutschrap. Danke und Ruhe bitte.
Update: Nachdem ich mir den Track nun in Dauerschleife gegeben habe, sitzt er. Man kann sich also an das Ding gewöhnen, aber richtig gut fühlt es sich für mich nicht an.
12. Nochn Gedicht
Jazzy und Heinz Erhardt, der wiederum sicher ein Vorbild für den Rapkünstler war/ist. Ein Liebeslied von Dendemann, ein Gedicht für dich. Easy wie Sunday Morning und so ehrlich wie sein sauerländisches Flair. Kann ich bitte noch ein Upsell-Album mit solchen Songs bekommen. Gerne auch mit anderen Beats - ich bin da offen. Dank I.L.L.Will, also Vassilios Papadopoulos, werde ich an alte Fettes Brot Zeiten erinnert. Also beim nächsten Album bitte nur für mich mehr von solchen romantischen Versöhnungstracks ^^. Ja? Deal?
Fazit:
Ein durchwachsenes Album, wie wir es auch schon von den alten Recken gewohnt sind. Auf dem Niveau von den Beginnern und Fünf Sterne deluxe, hat auch Dendemann ein polarisierendes Album gedroppt. Der Spagat es allen recht machen zu müssen, zu können, muss nicht sein und gelingt in den wenigsten Fällen. Ich für meinen Teil finde das Album gut, habe mir aber, vom Wortwitz her, mehr Genialität gewünscht, mehr Seitenhiebe, mehr Schmunzler... da wurde ich persönlich enttäuscht.
Aber das bedeutet nicht das man das Album nicht gut durchhören kann und das die meisten Texte wunderbar sozialkritisch sind - das sind sie und das ist gut so. Einflüsse des neuen Rap mit Autotune, Trapbeats mit den schleppende Bassdrums und schnelle Hi-Hats sind vorhanden und weniger der Boombap, den haben sich sicher viele meiner Generation von ihm gewünscht. Aber so ändern sich die Zeiten und die musikalischen Ausrichtungen, da muss man keine Träne hinterher weinen, aber wie schon eingangs erwähnt, sind die Erwartungshaltungen der Uralt-Hörer da anders gelagert. Werden eben diese alten Fans enttäuscht? Sag du es mir?
Punktum, der gute alte Dendemann hat geliefert und zeigt, dass er noch rappen kann. Songs wie "Ich so, er so" oder "Stumpf Ist Trumpf 3.0" sind halt nicht dabei, aber so ändert sich das Genre halt auch.
Der große Wurf ist das Album aus meiner Sicht also nicht, aber mehr als solide und kommt in mein Vinyl-Regal neben Eins Zwo Sport.
Stärkster Track: Alle Jubilare wieder und Menschine
Schwächster Track: Littbarski
Bock auf Vinyl, nur zu:
Tourdaten:
04.02. Hannover - Capitol
05.02. Bremen – Pier 2
06.02. Osnabrück - Hyde Park
07.02. Dortmund - Warsteiner Music Hall
09.02. Münster - Skaters Palace
10.02. Frankfurt - Batschkapp
11.02. Heidelberg - halle02
12.02. Stuttgart - Im Wizemann
13.02. München - Tonhalle
16.02. Karlsruhe - Substage
17.02. Köln - Carlswerk Victoria
18.02. Wiesbaden - Schlachthof
23.02. Dresden - Reithalle
25.02. Leipzig - Werk2
26.02. Hamburg - Mehr! Theater
27.02. Hamburg - Mehr! Theater
28.02. Berlin - Columbiahalle
dendemann.de
Fotos © Cover UniversalMusic & UniversalMusic Nils Müller
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