Die Fantastischen Vier:
„Long Player“ oder eine epische Reise durch 35 Jahre Hip-Hop-Geschichte auf einer Scheibe.
Die Fantas, unsere Hip-Hop-Urgesteine aus Stuttgart, haben nach fünf Jahren intensiver Schaffensphase ihr neues Album „Long Player“ in der Veröffentlichungs-Pipeline. Ich hab da mal genauer hingeschaut und -gehört, was die Jungs diesmal auf die Beine gestellt haben. Und ab dem 04.10.2024 kann man das Album kaufen und natürlich auch überall streamen.
Vor 35 Jahren war es noch „all a dream“, wie die Jungs selbst sagen und damit direkt noch ein Hint an die Golden Era des Hip-Hop mitgeben. Heute gehören sie selbst zu diesem illustren Kreis und der Titeltrack „Long Player“ bringt es auf den Punkt:
Credit Mumpi Künster Monsterpics |
„Kommt ran, und dann kommt noch näher, Fun kommt nicht von ungefähr. Auf langen Wegen sieht man mehr. Von Anfang an Longplayer. Los Leute, kommt’n bisschen näher, ein Leben lang legendär. Gehen noch ein Stück, nehmen euch mit, bis zum Ende Long Player.“
Ja, die Fantas machen keinen Hehl daraus, dass sie mittlerweile im „Veteranenstatus“ angekommen sind. Ein bisschen älter als ich es bin, ein bisschen das Hip-Hop-Game durchgespielt und doch nicht komplett sellout. Smudo bezeichnet die Band augenzwinkernd als „Pop-Dinosaurier“. Anstatt krampfhaft modern zu klingen, besinnen sie sich diesmal absolut auf ihre Wurzeln und ich meine damit nicht clownigen Hip-Hop, sondern ernstzunehmende Musikgeschichte. Eine erfrischende Herangehensweise, die ihre Authentizität unterstreicht und auf jeden Fall alten Fans gerecht wird. Pop genug ist es, um auch der Generation Z noch zuzusagen und das schreibe ich hier wahrlich nicht despektierlich.
Fünf Jahre hat die Produktion von „Long Player“ gedauert. Die Fantas haben die Zeit genutzt, um wirklich alles auf den Prüfstand zu stellen.
Wir haben so viel weggeschmissen wie noch nie, aus dem, was wir weggeschmissen haben, könnte man fast noch mal ein Album machen
, verrät Smudo.
Eine beeindruckende Demonstration von Qualitätskontrolle und künstlerischem Anspruch. Zusätzlich gefällt mir dabei auch, dass man sich die Zeit für gute Samples genommen hat. Hat schon alles, wie immer Hand und Fuß und ist nicht so einfach auf Kommerz hingeschmissen. Man hat sich also soviel Zeit genommen, sodass selbst der Albumtitel bis kurz vor knapp nicht feststand. Erst drei Tage vor dem Abgabetermin kam Smudo der rettende Einfall. Er hörte immer noch die Stimme des Fanta-Managers Bär in seinem Ohr, der über „Longplayer Verkäufe“ sprach. Ein glücklicher Zufall: „Long Player“ ist auch der Titel des längsten Musikstücks der Welt – komponiert von Jem Finer für eine Dauer von 1000 Jahren. Eine passende Metapher für die Langlebigkeit der Band und so passte der Name wie „A*sch auf Eimer“.
Die zentrale Frage während der Produktion lautete: „Wie wollen und wie können wir klingen?“ Sich an den Kids zu orientieren? Kann man machen, aber das wäre nicht authentisch gewesen. Stattdessen entschieden sich die Fantas, wieder so zu denken wie in den 80ern und 90ern.
Das ist das, was wir können. Und da können wir auch beurteilen, was gut ist, dafür auch gerade stehen
, erklärt Smudo.
So nehmen uns die 4 Jungs mit auf eine Reise von Kurtis Blow bis Helmut Kohl – ein bunter Strauß Nostalgie, aber mit frischem Twist – gelungen Freunde und das schreibe ich als langjähriger Begleiter eurer Musik. Und dass Falk Schacht den Pressetext schrieb, sagt einiges über die Wertschätzung euch gegenüber aus.
Wenn ich so reinhöre, dann kann ich schon so viel verraten, bis ihr es selber hören könnt:
„44 Tausend“ klingt, als hätten die Beastie Boys zusammen mit LL Cool J einen Ausflug nach Stuttgart gemacht. Der Refrain geht ab wie Schmidts Katze: „44.000 People springen auf und ab wie wild. Gesundheitszustand, jetzt egal. Wenn’s dumm läuft, halt zum letzten Mal.“ Purer, unverfälschter 80er-Hip-Hop-Vibe und rotzig ehrlich. Im Hintergrund wird House of Pains "Jump around" anzitiert. Hach, nice.
„Wie weit“ überrascht mit seiner Vielseitigkeit. Basierend auf einem Sample der Band MiA., verwandeln die Fantas den Indie-Rock-Song in eine „locker-flockige Soul-Granate, die auf dem Dancefloor explodiert“. Ein Track, der die musikalische Bandbreite der Gruppe eindrucksvoll demonstriert und der auch schon im Radio gut ankam.
In „Bestandsaufnahme“ wird’s nachdenklicher. Thomas D rappt: „Seit dem mein Leben begann und mein Ende beginnt. Denke ich ständig daran, und nehm was immer es bringt. Ich geh’ nicht dagegen an, denn dieses Leben, es rinnt, mir durch die Hände wie Sand, und sag’ mir, was hat noch Bestand?“ Tiefgründig, ehrlich und verdammt gut auf den Punkt gebracht.
Was die Fantas immer ausgezeichnet hat, ist ihre Bodenständigkeit. Sie spielen nicht die Superstar-Karte, sondern zeigen sich verletzlich und menschlich.
In „Inferno“, fragt sich Thomas,
Was werde ich hinterlassen, und was wird mehr, wenn man es teilt? (…) An was wird man sich erinnern, wenn ich nicht mehr bin, und macht das, was mir wichtig ist, auch wirklich Sinn?
Universelle Fragen, die die Zuhörer direkt ansprechen. Gerade wer mit den Jungs alt geworden ist, stellt sich ähnliche Fragen. Und wie beruhigend ist es doch schon zu wissen, dass bis zu eineinhalb Tage lang ist unsere Existenz an einem Ort anhand von Hautschuppen nachweisbar ist. Ha, wir gehen nie ganz. Spaß. Aber mit ihrer Musik haben sich die 4 Musiker schon ein Denkmal gesetzt, welches sehr lange halten wird.
Oder wie es im Song „Weekendfeeling“ heißt es: „Scheißegal, wievielter Frühling – 30 Jahre Weekendfeeling. Alle deine Lieblingslieder. Und wir spielen, spielen, spielen, sie wieder.“
Smudo erklärt,:
Wir freuen uns darauf, dass wir jetzt einen Schuss neue Songs haben. Damit machen wir ein neues Programm und gehen dann auf Tour.
Die Vorfreude auf kommende Live-Performances ist spürbar und mit ihrer Bühnenpräsenz und der Energie können sie absolut überzeugen.
Die Frage nach der Zukunft der Band schwebt natürlich immer latent im Raum. Könnte „Long Player“ das letzte Fanta-Album sein?
Smudo gibt zu bedenken:
Wir haben das bisher immer gedacht bei den Alben davor, aber dieses Mal sind wir uns ziemlich sicher. Diese Produktion war zäh und es kam auch der Gedanke auf, warum sich das antun?
Doch er fügt hinzu:
Gleichzeitig sind wir mit dem Ergebnis des Albums 'Long Player' sowas von mehr als zufrieden, dass wir sagen, das Gefühl hätten wir gerne noch mal.
Eine ambivalente Aussage, die hoffen lässt. Noch ist es nicht vorbei.
„Long Player“ ist damit also eine Zeitkapsel, ein Denkmal und eine Liebeserklärung an 35 Jahre Hip-Hop-Geschichte. Die Fantastischen Vier beweisen einmal mehr, warum sie zu Recht im Hip-Pop-Olymp sitzen. Sie sind authentisch, reflektiert und immer noch verdammt gut darin, Tracks zu produzieren, die sowohl zum Nachdenken anregen, als auch die Tanzfläche zum Beben bringen. Es ist ein Teil deutscher Musikkultur geworden. Und ab und an klingt Smudo dann wie Dendemann ;).
Für mich sind die Fantas wie ein guter Wein – er wird mit den Jahren immer besser. Die Fantas haben es mit „Long Player“ geschafft, ihre Erfahrung, ihren Humor und ihre unverkennbare Energie in ein Album zu packen, das sowohl langjährige Fans als auch Neueinsteiger begeistern wird. Nostalgisch und mit viel Reminiszenz an vergangene Hip-Hop-Tage.
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