Warum wir genau jetzt kreativ sein müssen
Die Welt fühlt sich an wie Daueralarm. Klimakrise, Kriege, politisches Dauergezitter, Social Media als Sirene im Hintergrund. Und dann sitzt du da, mit diesem Impuls, etwas zu schreiben, zu zeichnen oder Musik zu machen.
Zack, kommt die innere Stimme:
Dafür ist jetzt keine Zeit.
Genau gegen diesen Reflex tritt Amie McNee in ihrem TEDx Talk an. Ihre Botschaft ist simpel und trotzdem ein kleiner Tritt in den Hintern:
Gerade wenn alles brennt, brauchen wir deine Kunst.
Kunst ist kein Luxus | das haben wir nur so gelernt
Viele behandeln Kreativität wie Deko fürs Leben. Nett, wenn irgendwann Zeit ist. McNee räumt damit auf. Für sie ist Kunst kein Extra, sondern Verbindung. Und zwar weit vor dem fertigen Ergebnis. Kunst kann Schreiben sein, Zeichnen, Kochen, Gärtnern, Singen, Videos drehen. Entscheidend ist nicht, ob es perfekt ist, sondern ob du etwas Echtes ausdrückst und das du es einfach machst.
Der fiese Teil: Viele halten sich für unkreativ, weil ihnen irgendwann jemand eingeredet hat, ihr Bild sei falsch oder ihr Text nicht gut genug. Diese Sätze setzen sich fest wie Kaugummi in Socken. Und sie verhindern nicht nur ein Meisterwerk, sie verhindern schon den ersten Schritt. Hey, wenn das so wäre, dann würde ich hier nicht seit 2007 schreiben. Und ja, ich bin sicher kein perfekter Blogger, aber ich liebe was ich mache.
Kreativität als Selbstfürsorge | Hygiene fürs Nervensystem
Selbstoptimierung können wir alle: Schritte, Schlaf, Sport, Meditation. Kreativität fällt oft unter den Tisch, obwohl sie nachweislich sehr ordentlich runterregeln kann. McNee schlägt deshalb etwas vor, das gleichzeitig simpel und radikal ist:
Wenn du dir 20 Minuten Bewegung am Tag gönnst, gönn dir auch 20 Minuten kreatives Spiel. Ohne Anspruch. Ohne Ziel. Einfach machen. Nicht als Leistung, sondern als Reset.
Doomscrolling raus | Handlungsfähigkeit rein
Krisen konsumieren wir heute schließlich im Sekundentakt. Das Problem ist nicht, informiert zu sein. Das Problem ist, dass du dabei oft nur Zuschauer bleibst. McNee nennt das Ohnmachtsgefühl existenziell und erwischt uns damit eisklalt. Der Gegenentwurf ist daher Gestaltung. Sobald du etwas erschaffst, bist du wieder am Steuer. Jede Minute, in der du machst statt nur zu konsumieren, ist ein kleines Stück Rückeroberung.
Infobox | Amie McNee
- Rolle: Autorin, Künstlerin und Speakerin
- Fokus: Kreativität als tägliche Praxis, Selbstfürsorge und kulturelle Wirkung
- Bekannt durch: den TEDx Talk „The case for making art when the world is on fire“
- Buch: We Need Your Art, ein Manifest gegen Scham, Perfektion und kreatives Aufschieben
- Online: Community Projekt „Inspired to Write“
Der Klassiker: Sollte ich nicht etwas Wichtigeres tun?!
McNee dreht das um. Politik und Organisationen sind wichtig, klar. Aber Kultur verändert sich über Geschichten, Bilder und Musik. Kunst macht Themen fühlbar. Sie stiftet Gemeinschaft. Sie gibt Sinn. Und Sinn ist in Krisenzeiten kein Luxus, sondern Treibstoff. Kunst kann Gesellschaften ändern, sie verbinden. Und natürlich steht der Elefant im Raum: "Warum noch Kunst machen, wenn KI schneller ist."
McNees Antwort sitzt: KI kann Output liefern, aber keine gelebte Erfahrung haben. Kunst ist Verbindung, nicht nur Ergebnis. Und je perfekter Maschinen wirken, desto wertvoller wird das Menschliche. Die schräge Linie. Die unsichere Stimme. Der Text mit Kante. Genau da passiert Nähe.
McNee wird am Ende sehr konkret: Was bleibt von dir, wenn du morgen weg bist. Sie erzählt von Gedichten ihres Vaters. Etwas, das bleibt, weil es ehrlich ist. Damit kippt auch der Schuldgedanke. Kunst ist nicht egoistisch. Egoistisch ist eher, sie aus Scham oder Angst zurückzuhalten. Vielleicht wäre genau das, was du nicht machst, heute für jemanden wichtig gewesen.
Also: Handy kurz weg. News Tab zu. Und dann mach irgendetwas, das es gestern noch nicht gab. Auch wenn es nur 20 Minuten sind.
