Um es vorweg zu sagen: das Konzert war keineswegs schlecht
besucht. Mehr geht aber immer. Darum soll es aber nur am Rande gehen. Vielmehr
geht es mir um die Frage, warum Wuppertal als Standort und besonders die
hiesige Musikszene nirgendwo eine wirkliche Rolle spielt? Und da trifft es
besonders hart, wenn nicht mal in Wuppertal selbst etwas von einem
unterstützenden Bewusstsein zu spüren ist. Wuppertal hat immerhin eine lange
Geschichte. Die Fehlfarben hatten
ihren Proberaum in Elberfeld. Die Wuppertaler Punkszene war im ganzen Land
bekannt. Allen voran „Die Alliierten“
um Caspar Brötzmann. Überhaupt: Caspar
Brötzmann (Sohn des Jazz-Saxophonisten Peter
Brötzmann), der die Brücke zum Jazz schlug in dessen Szene zum Beispiel
Bassist Jan Kazda für Furore sorgte.
Dieter Gorny hat die Popkomm im Wuppertaler Rockbüro
erdacht.
Kind Tot waren
die erste deutsche Band auf dem berühmten Road
Runner Label.
Um es mit den Striekspöen
zu sagen: Siehste, dat is Wuppertal.
Immer schon brachte die Wuppertaler Musikszene Acts hervor,
die den internationalen Vergleich nicht scheuen mussten. Uncle Ho, die schon die Bühne mit den Smashing Pumpkins teilten und
eins ihrer Videos in New York drehten (der dazugehörige Song „Bubblehead“ war
sogar in den US-Collegecharts). DNL
als eine der ersten Crossover-Bands, die deutsche Texte schrieben. Heyday, die ihre unfassbar tollen
Platten beim Label des damaligen Raemon-Sängers Ray Garvey veröffentlichten. The
list goes on and on.
Im Jetzt angekommen, möchte sich der geneigte Leser ein mal
vor Augen führen, was momentan in dieser Stadt passiert. Das Royal Street Orchestra – ein Kollektiv
aus 9 Ausnahmemusikern, die einen wilden Mix aus Balkanbeats, Klezmer und Folk
veranstalten – wird zu TV-Shows nach Russland eingeladen.
Jan Röttger nimmt
als Vertreter für NRW am New Music Award teil und überzeugt Henning Wehland von
den H-Blockx so sehr, dass dieser ihm fortan beratend zur Seite steht. Dieser
Tage erscheint endlich sein Debütalbum „Present. Future. Anarchy.“ – finanziert
durch eine Crowdfunding-Aktion, die innerhalb kürzester Zeit ihre Zielsumme
erreicht hat. Jonas David schreibt
einen großartigen Song nach dem anderen und wird mit einer Nebenrolle und zwei
Songs auf dem Soundtrack zu Matthias Schweighöfers Film „Vaterfreuden“ belohnt.
Henrik Freischlader gilt als größtes
Blues-Gitarren-talent seit Gary Moore und tourt durch ganz Europa.
Prezident
beweist, dass aus Wuppertal einen Platz im Hip Hop Underground hat.
Selbst ein Martin
Stürtzer, der mit seinem Dark-Ambient Projekt „Phelios“ weitab vom Mainstream agiert, ist ein gefeierter Szeneheld
und gern gesehener Gast auf internationalen Festivals. Die Jazz-Szene lebt mehr
denn je mit Musikern wie Roman Babic,
Mickey Neher, Marvin Becker, Maik Olhoff...
Und dann gibt es eben Anna.Luca,
die auch mit dem NuJazz-Projekt Club des Belugas internationale Erfolge feiert.
Ihr zweites Solo-Album ist kurz vor der Fertigstellung und wurde an jenem Abend
im LCB präsentiert. Wenn man die verträumten aber unfassbar tanzbaren Songs
hört und daran denkt, dass all das (siehe oben) aus ein und derselben Stadt
kommt, wird man entweder sehr stolz oder sauer. Oder auch beides. Mir fiel – zumindest
außer den üblichen Verdächtigen wie Berlin und Hamburg – keine Stadt in
Deutschland ein, die ein solches Potenzial birgt. Je länger man darüber
nachdenkt, desto unwirklicher wird es. Woran liegt es, dass man von all dem in
der Stadt nichts spürt? Wo ist der Stolz der Wuppertaler auf diese, ich sagte
es bereits, Geschenke? Wir sind immer noch eine Universitätsstadt, Publikum sollte also vorhanden sein. Mir ist
klar, dass auch ich viel mehr auf Konzerte gehen sollte, aber ich muss es jedem
ans Herz legen: besucht Konzerte Wuppertaler Bands. Kauft die Platten. Hört
euch die tolle Musik an. Aber besonders: Erzählt anderen Leuten davon. All
diese Musiker dieser Stadt haben es sowas von verdient stattzufinden. Nicht nur
auf Bühnen und in CD-Playern und Plattenspielern – auch in euren Herzen.